Hotel Zentral

Die Tür daneben trägt ein rotes Herz
ein rotes Glasherz trägt das Haus, die
Tür hält daran fest. Ruf an, wenn du
im Taxi sitzt. Das Licht. Das Licht
vom Boden her dreht uns das Leben
hier aus und ein. Der Glanz auf deinen
Lippen aber schmeckt nach Salz.
Ich trank vom Wein den Rest, dann
fiel die Nachtluft ein und säte uns
Poren in die Haut. Rauhreif reizte
unsere Seelen, die sich losgemacht
allein das Dunkel in uns zu erkunden.
Zwei Stunden blieben noch für einen
Schlafrand Leib an Leib, dann fuhr
der alte Schrank zwei trauernde
Gestalten in den Tag und hieß sie
ohne einander ins Leben sehn.

Schöffling & Co., 288 Seiten, € 26,-

Im Weißholzdialekt schreiben oder im Klausenburger Kraut- jargon, wie klänge das? Legenden erzählen in keiner und allen Sprachen zugleich? Das lyrische Ich, ein Räuber auf dem Kieselstrand, ist westwärts gezogen – »dazwischen gab’s Pflaumen tiefblau vermutlich und zwei Weltkriege« -, in Zügen seit Tagen oder vielleicht doch immer noch im längst schon toten Land. In „Heute Mai und morgen du“ durchmisst der Lyriker und Übersetzer Ernest Wichner Zeiten, Landschaften und Freundschaften, darunter die mit Gellu Naum und Oskar Pastior, auch hat er schon mal Heinrich Heine auf dem Anrufbeantworter. Die Auswahl aus den Bänden »Steinsuppe« (1988), »Rückseite der Gesten« (2003), »bin ganz wie aufgesperrt« (2010) und »Neuschnee« und »Ovomaltine« (2010) umfasst beinahe vier Jahrzehnte und wird abgerundet durch unveröffentlichte und neue Gedichte sowie durch ein Nachwort von Maren Jäger.

Ernest Wichner, geboren 1952 in Guttenbrunn (Banat/Rumänien), lebt seit 1975 in Deutschland, seit 1976 in Berlin, wo er Germanistik und Politologie studierte. Ab 1988 war er für das Literaturhaus Berlin tätig, zwischen 2003 und 2017 als dessen Leiter. Ernest Wichner ist Autor von Gedichtbänden und Erzählungen, Herausgeber und Übersetzer, vor allem aus dem Rumänischen. 2020 wurde er mit dem Johann-Heinrich-Voß-Preis ausgezeichnet.

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