Der alte Maler geht spazieren

In der Tasche Leckerbissen für die Hunde der Umgebung
Er sieht kaum noch etwas
Kaum noch blickt er auf die Bäume und Vorstadtvillen
Jeden Stein kennt er hier
All das habe ich gemalt versucht zu malen denkt er
Nicht viel davon ist gelungen
Die Welt wächst und wächst unaufhaltsam
Und doch wird sie immer weniger

Adam Zagajewski – Das wahre Leben
Gedichte

Hanser, 72 Seiten, € 22,-
Aus dem Polnischen von Renate Schmidgall  

In seinem letzten Gedichtband blickt der große polnische Dichter Adam Zagajewski mit beeindruckender Klarheit und der typischen ironischen Melancholie auf die Vergangenheit. „Seine Gedichte setzen das Understatement ein wie einen Talisman“, schreibt die „New York Times Book Review“. In „Das wahre Leben“ vereinen sich noch einmal die großen Themen von Zagajewskis unverzichtbarem Werk: das Bewahren der Geschichte, die Ewigkeit der Kunst, die Magie und das Versprechen des Reisens, die Erinnerungen an ein früheres Selbst und die unscheinbare Fülle des Augenblicks.

Adam Zagajewski, 1945 in Lemberg geboren und 2021 in Krakau gestorben, studierte Psychologie und Philosophie in Krakau. Er lehrte regelmäßig an der University of Chicago. Adam Zagajewski ist Autor zahlreicher Lyrik- und Essaybände sowie mehrerer Romane und wurde für sein Werk vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Eichendorff-Literaturpreis (2014), dem Heinrich-Mann-Preis der Berliner Akademie der Künste (2015), dem Leopold Lucas-Preis (2016), dem Jean-Améry-Preis für Essayistik (2016), dem Prinzessin-von-Asturien-Preis in der Sparte Literatur (2017) und dem Orden Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste (2019). Seit 2015 war Adam Zagajewski Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Bei Hanser erschienen zuletzt „Verteidigung der Leidenschaft“ (Essays, 2008), „Unsichtbare Hand“ (Gedichte, 2012), „Die kleine Ewigkeit der Kunst“ (Tagebuch ohne Datum, 2014), „Asymmetrie“ (Gedichte, 2017) und „Poesie für Anfänger“ (Essays, 2021).

Gedicht: Seite 61

Empfohlen von Klaus Bittner

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