Vladimir Sorokin

Die rote Pyramide. Erzählungen


Aus dem Russischen von Dorothea Trottenberg und Andreas Tretner. Kiepenheuer & Witsch, 192 Seiten, € 22,-

In den neun Erzählungen, die Vladimir Sorokin für diesen Band zusammengestellt hat, geht es immer um eine durch den Verfall der Sowjetunion deformierte Gesellschaft. Das zeigt sich beim Einzelnen, wie in der Titelgeschichte, in der der junge Jura eine Vision erfährt, die ihn bis zum Ende seines Lebens nicht mehr loslässt. Es zeigt sich aber auch im Politischen, wie in der Geschichte „Lila Schwäne“, in der die russischen Atomsprengköpfe plötzlich in Zuckerhüte verwandelt wurden und man sich nicht anders zu helfen weiß, als einen wundertätigen Religionsgelehrten um Hilfe zu bitten. Und es zeigt sich im Zusammenspiel der Menschen, ihrer gesellschaftlichen Interaktion, wie in der Geschichte „Der Fingernagel“, in der vier befreundete Ehepaare zu einem Abendessen zusammenkommen, das auf Grund von Toilettenpapiermangel vollkommen außer Kontrolle gerät. Sorokin gelingt in diesem Erzählungsband das Kunststück, aus scheinbar unabhängigen Einzelgeschichten ein Ganzes zu schaffen. Er zeigt einmal mehr, wie meisterhaft er auch die kleine Form und verschiedenste stilistische Mittel beherrscht und eröffnet seinen Leser*innen einen Blick auf Russlands Gegenwart und Vergangenheit, die so vergangen eben doch nicht ist.

Empfohlen von Sabine Leschnikowski

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