Nachtrag 2

mach dir um mich kein Konto.

ich schäume nicht mit

Einsamkeit.

wo die Tiere Tiefen sind, Fissuren hinterlassen, passe ich

die Farben ein. die Vita. die Mountains

folgen dem Trend zur Zweidimensionalität.

trotzdem bleiben sie

ein Ebenmaß meines Empfindens.

doch hab ich den ganzen Tag an HIV verloren,

Zama Zama, und neuerdings ein Muttermal

im Auge, aufgelöst in die drei Nornen

des Spektrals. soll heißen: eingewieft.

hoch steht die Sonnenblume

den Zenit bei Dunkelheit zu Ende. Standardprozedur.

bewahr sie dir,

die Hände.

Ron Winkler

Magma in den Dingen

Schöffling, 104 Seiten, € 20, –

Ron Winkler untersucht in seinem neuen Band, wie das Ich an unterschiedlichen Orten variable Formen annimmt, wie die Sprache in der Bewegung ihre Fließgeschwindigkeit verändert. Die Biotope, die er taxiert, finden sich in der »Wüstung aller Europäer« genau wie auf den »Erzählflächen des Glazialen«, immer aber schreiben sie sich tief in den Körper ein. Nicht zuletzt die Kindheit wird kartographiert, mal als kühle Beschreibung, mal als sehnsüchtige Anrufung. Familie und Heimat markieren in Winklers Gedichten bisweilen die Schreckvokabeln moderner Ungebundenheit, dann wieder verheißen sie Wendungen zum Guten. Unermüdlich sind Winklers Gedichte dem »strapaziösen Schönen« auf der Spur, tragen sie die überraschenden Überschüsse dessen nach, was der Fall ist.

Ron Winkler, geboren 1973 in Jena, lebt in Berlin. Von ihm erschienen bisher fünf Gedichtbände, zuletzt »Karten aus Gebieten« (2017). Er übersetzt aus dem Englischen und ist Herausgeber verschiedener Anthologien, darunter »Schneegedichte« (2011). Für seine Texte erhielt er den Leonce-und-Lena-Preis, den Mondseer Lyrikpreis, den Lyrikpreis München und den Basler Lyrikpreis sowie das Aufenthaltsstipendium der Villa Massimo in Rom.

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