Mein Leben im Schlaf

Alles ist laut: Das Kratzen der Bettlaken,
der Aufruhr der Knötchen im Haar, das Klacken der Zähne.
Winziger Schweiß nistet sich ein in jeder Falte
des Körpers, doch der Atem geht ruhig, sie selbst ist warm,
das Zimmer so sicher, wie ein Zimmer in London nur sein kann.
Die U-Bahn donnert ein paar Meter weiter unten,
und Flugzeuge nach Heathrow kreisen überm Dach.
Du merkst, daß der Körper, all die Luft, die er ausstößt,
muffiger als tagsüber ist; sie ist freundlicher, schmiegsamer.
Beuge dich über sie, die Köstlichkeiten des Schlafs zu erfassen,
Haut ticken zu hören, die Mandragora des nächtlichen
Schweißes zu schmecken. Komm näher, lege den Finger
auf die Stelle, an der du den Traum vermutest.

My Life Asleep

Everything is loud: the rasp of bed-sheets,
clamour of hair-tangles, clink of teeth.
Small sweat takes up residence in each crease
of the body, but breathing’s even, herself warm,
room safe as a London room can be.
The tube rumbles only metres underneath
and planes for Heathrow circle on the roof.
You’ll find the body and all the air it exhales
Smellier than by day; she’s kinder, more supple.
Bend close to catch the delicacies of sleep,
to hear skin tick, to taste the mandragora
of night sweat. Lean forward and put a finger
on the spot you think the dream is.

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Jo Shapcott

Mein Leben im Schlaf

Ausgewählt und aus dem Englischen übersetzt von Jan Wagner
Hanser, 136 Seiten, € 19,-

Jo Shapcott, 1953 in London geboren, gehört zu den wichtigsten Stimmen englischsprachiger Lyrik ihrer Zeit. Sie ist zweifache Gewinnerin der National Poetry Competition, 2011 erhielt sie die Queen’s Gold Medal for Poetry.

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