Doch früher oder später

Doch früher oder später einmal wird die Studentin Leonie (oder

jene andere die uns längst vergessen haben wird) auf einem

stillen Rasenstück aus einer Urangst heraus sich an uns erinnern

und anfangen zu träumen im Hörsaal auf einem Hocker am Gestade wie

ein Diamant

dann fängt in ihrem Mund was an zu blühen

und Leonie beginnt wie eine Spinne in Zungen zu weben

während ein waidwunder Jägersmann

schauderhaft verliebt an ihrer Seite humpelt

und wir in ihren traumlosen Träumen noch

gerade so viel Nacht verspüren wie ein jeder erträgt

Gellu Naum

Pohesie. Sämtliche Gedichte

Aus dem Rumänischen übersetzt von Oskar Pastior, herausgegeben von Ernest Wichner, Urs Engeler Editor Basel, 856 Seiten, € 44,-

Als Oskar Pastior 1968 Rumänien verließ, um in Deutschland zu bleiben, hatte er unter dem Wenigen, das er mit sich führte, einen Gedichtband von Gellu Naum: «Athanor», einen geistigen Ofen zur Erzeugung des Steins der Poesie. Seither hat Pastior Naum übersetzt, im Stillen zuerst, dann in zwei Auswahlbänden. Hier nun legt er sämtliche Gedichte Gellu Naums in seiner Übersetzung vor: ein doppeltes Lebenswerk also, Oskar Pastiors Hauptwerk als Übersetzer und das poetische Lebenswerk des größten Vertreters des rumänischen Surrealismus.

Gellu Naum, geboren am 1. August 1915 in Bukarest, studierte dort und an der Sorbonne in Paris Philosophie. Durch seinen Freund Victor Brauner kam er in Kontakt mit der Gruppe der Surrealisten um André Breton. Zurück in Rumänien, bildete er während des Krieges und bis 1948 zusammen mit Ghérasim Luca, Dolfi Trost und Virgil Teodorescu eine eigene Gruppe von rumänischen Surrealisten, deren Aktivitäten Breton zur Äusserung bewog, das Zentrum der Welt sei nach Bukarest gezogen. Nach dem Verbot der Gruppe folgten für Naum lange Jahre des Schweigens, in denen ihm verboten war zu veröffentlichen. Seinen Lebensunterhalt verdiente er als Übersetzer von u.a. Diderot, Stendhal, Hugo, Verne, Gracq, Prevert, Char, Kafka und Beckett. Nachdem 1968 das Publikationsverbot aufgehoben und «Athanor» erschienen war, setzte langsam seine Anerkennung als einmaliger poetischer Geist ein, die ihm auch internationale Aufmerksamkeit einbrachte. 1999 erhielt er gemeinsam mit seinem Übersetzer Oskar Pastior den Preis für Europäische Poesie der Stadt Münster. Gellu Naum starb am 29. September 2001 in Bukarest.

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