Die Ringe des Saturn
Clara hat mir einen Brief
zu ihren Lieblingsplaneten geschrieben –
über das Auge des Jupiter
als das gigantischste Hochdruckgebiet
des Sonnensystems, den Triton
einen Mond des Neptun
der nach dem Sohn
jenes Meeresgottes benannt ist
mit dem Odysseus es zu tun kriegte
und über uns, weil sie mich gernhat –
wie sie schreibt – und Gernhaben eben heiße
sich über jemanden Gedanken zu machen
was heißt, so fest an ihn zu denken
dass er nicht fortgeht, und im Denken alles zu tun
damit er bleibt. Deshalb – sagt
meine Tochter – hat sie den Saturn am liebsten
weil seine Ringe das beste Bild
unserer Umarmungen sind.
Hanser Verlag, 144 Seiten, € 20,-
Zweisprachige Ausgabe. Italienisch – Deutsch. Edition Lyrik Kabinett
Übersetzung: Raoul Schrott und Jan Wagner
Federico Italiano gehört zu den „stärksten Lyrikern seiner Generation“ (La Repubblica). Seine Gedichte verbinden auf höchst originelle Weise Naturbetrachtung mit weltumspannend postmodernen Bildern, in denen exotische Riesenkrabben ebenso auftauchen wie nigerianische Scrabble-Weltmeister. Seine spielerisch elegante Lyrik sucht auch den Dialog mit anderen Poeten, ob man sich mit Ted Hughes zum Kaffee verabredet oder Brodsky ein Postskriptum schreibt.
„Sieben Arten von Weiß“ versammelt die schönsten Gedichte von Federico Italiano in der glänzenden Übersetzung von Raoul Schrott und Jan Wagner.
Federico Italiano, 1976 in Novara geboren, lebt als Lyriker, Übersetzer und Herausgeber in Wien, wo er an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften forscht. An der LMU München ist er Dozent für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft. Seine Lyrik wurde u.a. mit dem Tirinnanzi-Preis (2020) ausgezeichnet und in mehrere Sprachen übersetzt. Bei Hanser gab er zuletzt mit Jan Wagner die Anthologie „Grand Tour“ (Reisen durch die junge Lyrik Europas, 2019) heraus.
Gedicht: Seite 123
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