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die rosen hier im garten sind
befallen auf allen bäumen sitzen
schwarze und auch gelbe punkte
und halten sich mit letzter kraft
an ihren zweigen fest dann geht’s nicht mehr
dann trudeln sie ganz langsam richtung erde
und auch der wein der voller reben hängt
hat schwarze pocken auf den blättern die
soll man abpflücken damit mehr
luft drankommt sie
anschließend ganz radikal entsorgen
mein gartenlied macht auch nicht halt
vorm pfirsichbaum
der kaum gepflanzt schon anfängt sich ganz stark
zu kräuseln und dessen wen’ge früchte weich wurden
die konnte man nicht essen genauso wenig wie die
tomaten die auf der einen seite fast alle braun geworden sind
der stiel knickte und die paar gelb gewordnen früchte
liegen ganz todesmatt am fuß der pflanze
alles ist krank
seit einem unfall hier im garten
bei dem ich fiel
kann ich nur noch ganz langsam an
den rosen
vorübergehen

Quintus, 112 Seiten, € 15,-

In den neuen Gedichten von Sabine Schiffner werden Geschichten von Verrat und Verlust, von Geburt und Tod, von Lebensfreude und Vergänglichkeit, von Familie und von Einsamkeit erzählt. Mit manchmal fast naivem, oft befremdetem Blick beobachtet sie und wundert sich über die jetzige und die vergangene Welt, die ihren biografischen Kosmos berührt. Die Worte kommen in diesen Gedichten scheinbar leichtfüßig tänzelnd daher und streifen einen wie im Vorbeigehen. Wenn man aber stehen bleibt und sich einlässt, sieht man hinter der rhythmischen und genau durchdachten Sprachkomposition die tiefe Wunde. Sabine Schiffners Sprache ist immer musikalisch, oft zugleich rau, Alltagssprache mit Hochpoetischem verbindend, ernüchternd, überraschend.

Empfohlen von Klaus Bittner

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